Poesie 1

 

Das Poesiealbum der Helene Clausen
 
Schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts entstand der Brauch, guten Freunden Namen, Wappen und Wahlsprüche in das Stammbuch zu schreiben. Im 18. Jahrhundert kamen zu den Wahlsprüchen auch Widmungen und viele Zeichnungen, und im Laufe der Zeit wurden aus den Stammbüchern dann Erinnerungsbücher.
Die Blütezeit hatte das Poesiealbum im 19. Jahrhundert. Was bisher den Erwachsenen vorbehalten war, wurde mehr zum stillen Vergnügen der Kinder und Jugendlichen (vor allem der Mädchen). Die poetischen Verse wurden durch Weitergabe des Albums an Mitschüler, Lehrer, Freunde, Verwandte und Bekannte gesammelt. Dabei stand jedem Eintrag nur eine Buchseite (in der Regel die rechte) zur Verfügung.

 
Heute sind die Poesiealben mit den in Schönschrift eingetragenen Lebensweisheiten und Lebenswünschen etwas aus der Mode gekommen. In ihre Stelle tritt das vorgefertigte Album mit der Möglichkeit, Wünsche und Informationen in Leerzeilen einzutragen. 
 
Die poetischen Verse waren natürlich stark dem Geschmack der Zeit unterworfen. Und nicht zuletzt darin besteht der Reiz, in alten "Freundschaftsbüchern" zu blättern. Uns liegt das Poesiealbum von Helene Clausen von Nordstrand vom Beginn des letzten Jahrhunderts vor, und wir möchten den Lesern unserer Homepage in zeitlichen Abständen einen der Verse aus diesem Album vorstellen!
Als ein Einblick in das Denken und Fühlen der Menschen unserer Heimat vor über 100 Jahren, aber auch als eine kleine Folge von Lebensweisheiten, die eigentlich zeitlos sind.

Es schreibt der Bruder Heinrich im
Jahre 1903:

 

  Zufrieden sein ist große Kunst,

  Zufrieden scheinen großer Dunst,

  Zufrieden werden großes Glück,

  Zufrieden bleiben Meisterstück.



                                                                                                                                                                    
Es schreibt die Freundin Anna Mölk
                 am 11. Januar 1903

 
   Wer nicht am Morgen betet,
   Ist arm den ganzen Tag.
   Sein  Engel tritt zurücke
   Und ruft dir traurig nach:
   Ich kann dich nicht begleiten,
   Du wankst nur wo du stehst.
   Ach komm, auch komm zurücke
   Und bet noch,  eh` du gehst.
 
"Denke oft und gern an Deinen
Freund Johann Paulsen"
( Nordstrand, den 13. 1. 1903 )

 

Welken muß die schönste Rose,
Auch wenn Deine Hand sie brach.
Alles welkt auf dieser Erde
Bis zum größten Erntetag.
Nur die Blumen wahrer Freundschaft,
Liebe Freundin, welken nie,
In dem Garten des Allmächtigen
Blühen ewig, ewig sie.



Erinnerungsworte Deiner Freundin
und Mitschülerin  Dora Friederike Paulsen

Bleibe stets ein gutes Kind,
Deiner Eltern Lust und Wonne,
Fromm, wie es die Englein sind,
Dann lacht Dir des Himmels Sonne.
Und am Abend, still und rein,
Schläfst Du recht zufrieden ein.
Bleibe fromm und halt Dich recht,
Dann ist froh Dein Erdenleben,
Und es wird zu aller Zeit
Gottes Frieden Dich umgeben.
Denn wer Gottes Willen tut,
Geht es hier und droben gut !!


Zur Erinnerung
an Deine Freundin Betha Jebe  1904


Rasch fliegt die Jugendzeit;
Mach dich auf Kampf bereit;
Halt nur das Herze rein;
So wirst du Sieg`rin sein.
Ob dir nun bringen mag;
Freud oder Leid der Tag;
Fest auf den Herrn vertraun;
Liebe dem Nächsten weih`n;
Immer demütig sein;
Treu deine Pflicht getan;
So geht es himmelan.

 

 
Eine Erinnerung  
von Deiner Mitschülerin
Maria Margaretha Clausen
( 26ter Februar 1904 )

 
Alles weicht und alles fällt  
Mit dem Leben in der Welt. 
Wahre Freundschaft nur allein
Soll bei uns unsterblich sein.
Unsre Freundschaft soll bestehn,
Bis wir einst zum Grabe gehn.
 
 
 
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letzte Änderung: 28.03.2021

 

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